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INTERVIEW MIT ANDRÉ ZURAIKAT

von Christian Huggenberg

„Jeder Mensch sollte sich nach seinem Können und seinen Möglichkeiten für die Gemeinschaft einsetzen.“

 

 

Du bist in einem multikulturellen Umfeld aufgewachsen. Dein Vater stammt ursprünglich aus Jordanien. Deine Mutter hat italienische Wurzeln. Deine Eltern haben sich während ihres Studiums in den USA kennen gelernt, kamen dann in die Schweiz, wo Du geboren bist. Wie war das für Dich in jungen Jahren?

 

André Zuraikat: Meine Schwester und ich sind zwar in der Schweiz geboren. Doch durch die Tätigkeit meines Vaters im internationalen Bankengeschäft sind wir als Familie in meiner frühen Kindheit erst einmal viel herumgekommen in der Welt. Dazu gesellte sich die Vielfalt in der eigenen Familie. Ich bin mit vielen Kulturen und ganz unterschiedlichen Eigenarten von Menschen aufgewachsen, was ich heute als ein Privileg und als eine Stärke empfinde. Es ist eine Kraft, die aus meinen Eltern entsprungen ist, die ich heute in mir trage und nutzen kann.

 

 

Du bist dann aber in der Schweiz zur Schule gegangen. Das war sicher eine Herausforderung.

 

Ja. Am Anfang meiner Schulausbildung war es schwierig für mich. Ich hatte zu kämpfen. Diskriminierung ist für mich kein Fremdwort. Aber meine Eltern haben mich immer gelehrt, positiv zu denken. Auch der Sport hat mir sehr geholfen und ist bis heute enorm wichtig für mich. Seit meinem 7. Lebensjahr mache ich Karate. Das gibt mir Halt und hat mir Selbstvertrauen gegeben. Dabei habe ich viel gelernt über fernöstliche Philosophie und Tugenden.

 

 

So bist Du also nicht ganz konfliktfrei und ohne Hindernisse in der Schweiz aufgewachsen. Wie bist Du es angegangen, um mit Deinem Leben zurechtzukommen?

 

Mein Sport, meine Freunde und vor allem die Familie sind die tragenden Elemente in meinem Leben. So kam es, dass ich nach meinem Maturaabschluss zuerst mehr über meine Wurzeln erfahren wollte. Ich reiste für ein halbes Jahr nach Jordanien, um Arabisch zu studieren und die Kultur sowie meine Familiengeschichte besser kennen zu lernen. Es war ein eindrückliches Erlebnis.

 

 

Kannst Du uns dies etwas näher schildern?

 

Zuraikat ist eine der grössten christlichen Familien in Jordanien und gleichzeitig ein Teil einer Minderheit. Das ist spannend, weil in Jordanien viele Minderheiten leben. Die Jordanier selbst sind im eigenen Land eine Minderheit. Die Mehrheit bilden die Palästinenser, welche aus ihren angestammten Gebieten vertrieben wurden.

 

 

Und was hat all dies mit Dir zu tun – beziehungswiese welchen Einfluss hat es auf Dein politisches Engagement?

 

Es hat sich bei mir tief eingeprägt, wie tolerant die Jordanier sind. Menschen werden nicht aufgrund ihrer Nationalität oder ethnischen Zugehörigkeit beurteilt sondern aufgrund ihres Charakters oder weil man ihnen schlicht helfen muss. Das zeigt sich auch an der Situation in Jordanien, die durch den Bürgerkrieg in Syrien entstanden ist. Jordanien hat 1.3 Millionen Menschen aus dem Nachbarland aufgenommen. Wenn ich das mit der Migrationspolitik der Schweiz vergleiche, dann finde ich, dass wir hier vor Ort noch einiges tun können.

 

 

Wie meinst Du das? Was können wir tun?

 

Bezüglich der Frage, was wir tun könnten, ist zum Beispiel ganz wichtig, dass wir für Menschen in Flüchtlingsunterkünften verbesserte Tagesstrukturen anbieten. Dafür setze ich mich ein. Oder dass vor allem junge Leute schneller etwas tun können und dann einen Job oder eine Ausbildung finden.

 

 

Was machst Du beruflich aus Deinem breiten Hintergrund?

 

Es war immer mein Wunsch, in einem internationalen Umfeld tätig zu sein und dabei meine fünf Sprachen einsetzen zu können. Das kann ich bei einem internationalen Versicherungskonzern, wo ich als Leiter International Claims arbeite. Das macht mir Freude. Weil ich mit dieser Tätigkeit so viel einbringen kann, was auch mich geprägt hat.

 

 

Wie willst Du politisch etwas bewegen, wenn Du beruflich doch schon heute – wie es scheint – sehr eingebunden bist?

 

Gut organisiert zu sein, hilft immer. Wenn ich zum Beispiel beruflich ein Projekt angehe, bereite ich mich immer darauf vor. Dies beginnt etwa damit, dass ich vor einem Projektstart mit den beteiligten Leuten zusammensitze. So lerne ich die Menschen kennen. Später beim Kickoff-Meeting für ein Projekt kenne ich die Leute bereits und ich bin vorbereitet. Genauso funktioniere ich auch politisch und so plane ich vorzugehen. Ich informiere mich im Vorfeld, wer was am liebsten macht. Entsprechend versuche ich, die Personen im Team einzuteilen.

 

 

Und wo hast Du all dies gelernt?

 

In erster Linie habe ich bei meinem Vater gelernt, der mit mir immer diskutiert hat und der mich zum Beispiel schon im Alter von 10 Jahren ein Budget für mein Taschengeld erstellen liess. Später kamen meine ehrenamtlichen Tätigkeiten dazu als Vertreter der Studierenden an der Universität, im Verein. Was mir hilft, ist auch meine Willenskraft. Mein Lebensmotto lautet: Live every moment as if it was your last.

 

 

Bist Du in Deinem Leben auch schon an Deine Grenzen gestossen?

 

Das habe ich oft während meiner Studienzeiten erlebt, als ich eine

7-Tage-Woche hatte. Unter der Woche habe ich studiert. Am Wochenende gearbeitet. In diesen Momenten hat mir der Sport besonders viel geholfen. Karate ist für mich Ausgleich und Motivator zugleich.

 

 

Hast Du auch Schwächen?

 

Manchmal fordere ich zu viel von anderen und auch von mir selbst. Das kann schwierig sein und ich muss mich selbst dazu anhalten, zurückhaltender zu sein.

 

 

Was ist Dir am aller wichtigsten im Leben?

 

Gesundheit und Ausgeglichenheit. Sehr wichtig ist für mich die japanische Weisheit Bushido. Die Lebensphilosophie der Samurai im alten Japan basiert auf den 7 Tugenden von Aufrichtigkeit, Mut, Güte, Höflichkeit, Wahrhaftigkeit, Ehre und Treue. Auch mein soziales Umfeld ist zentral für mich. Meine Familie, Freunde und Menschen, denen ich im Beruf und bei meinen Aktivitäten begegne.

 

 

Du kandidierst für Die Mitte. Warum?

 

Die Mitte vertritt ein sozial-liberales Gedankengut. Der Mensch soll sich frei und liberal entfalten können. Andererseits braucht es den sozialen Rückhalt in unserer Gesellschaft. Der Mensch und die Familie stehen im Vordergrund. Die Familien leisten einen enormen Beitrag in unserer Gesellschaft. Sie sorgen dafür, dass wir weiterkommen, dass wir leben können und unsere Wertvorstellungen weitergegeben werden. All dies ist entscheidend für jeden einzelnen und für die Gemeinschaft. Hierfür setze ich mich ein und das kann ich sehr gut in der Partei Die Mitte.

 

 

Was willst Du in der Politik erreichen?

 

Ich möchte mich dafür einsetzen, dass sich die Schweiz nicht weiter abschottet. Unser Land profitiert von den Nachbarn und den Menschen, die hierher kommen. Fremdes bereichert und sorgt für Vielfalt. Genauso am Herzen liegen mir die Familien. Sie sind der Kern unserer Gesellschaft. Sie brauchen unsere Aufmerksamkeit und Unterstützung. Im Kontext der Familie stehen auch die beiden Fairness-Initiativen «Faire Steuern und faire Renten endlich auch für Ehepaare». Beide Initiativen wurden jüngst durch unsere Partei die Mitte lanciert. Das sind für mich zentrale politische Anliegen.

 

 

Kannst Du dies noch etwas verdeutlichen?

 

Die Schweiz fusst auf unterschiedlichen Kulturen, Sprachen und Lebensauffassungen. Darauf basiert der Erfolg unseres Landes. Diese Kultur ist verantwortlich für unser politisches Selbstverständnis – sowohl auf lokaler Ebene wie auch national. Das ist die Stärke der Schweiz. Hier dürfen wir keine Abstriche machen. Ein feingliedrig ausbalanciertes politisches System und die Konkordanz sind Errungenschaften von enormem Wert. Für deren Erhalt will ich mich einsetzen.

 

 

Und wie willst Du den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft fördern?

 

Für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft sind die soziale Gerechtigkeit, ein gutes Bildungssystem, Familie aber auch der Sport und eine durchdachte Wirtschaftspolitik essentiell. Was mir ebenfalls sehr am Herzen liegt, ist eine gute Integrationspolitik. All diese Elemente sind wichtig für den Erhalt unseres Wohlstandes und der Lebensqualität. Entsprechend definiere ich die Grundpfeiler meiner Politik. Hier will ich mich besonders einbringen im Nationalrat.

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